24. September 2024
„Ein Haus ist mehr als nur ein starres Ding. Es geht um Szenen, um Bewegung und um Stimmungen.“ Diese aufzugreifen und in Gebäude für Menschen zu „übersetzen“ haben sich Ludescher + Lutz Architekten aus Bregenz zur Aufgabe gemacht. Einblicke wie diese und noch einiges mehr kann man bei der Wiener Ausgabe der Architect@Work bei ihrem Vortrag hören und erfahren.
von Barbara Jahn
„Es ist uns wichtig, wie die Dinge gemacht sind“. Die Vorarlberger Architekten Elmar Ludescher und Philip Lutz haben eine genaue Vorstellung von dem, was sie machen, jedoch ohne sich dabei von präzisen Ideen und Prinzipien einzuschränken zu lassen. Im Interview erzählen sie über ihren Wunsch Architekt zu werden und wie sie heute mit diesem verantwortungsvollen Beruf umgehen.
Umbau der Vorarlberger Landesbibliothek in Bregenz © Gustav Willeit
Wenn ihr euch zurückerinnert: Was war die Initialzündung für euch, Architekten zu werden?
Philip Lutz: Eine Austauschwoche in der Provence in der siebten Klasse Gymnasium. Wir haben die Abtei Notre Dame de Sénanque in Frankreich besichtigt. Alles aus einem Material, heller Sandstein und drum herum blühende Lavendelfelder. Mir war klar: Architektur kann berühren.
Elmar Ludescher: Der in zweiter Generationen geführte elterliche Holzbaubetrieb und der Duft von Holz hat meine Kindheit geprägt. Dann, Ende der 1980er Jahre, kam ich mit Plänen „der ersten Generation der neuen Vorarlberger Bauschule“ in Berührung: Die Klarheit und die Einfachheit der Architektur waren etwas Neues und haben mich begeistert.
Auf eurer Webseite steht „Wir haben Freude an unserer Arbeit“. Was genau macht diese Freude aus?
Sich Räume auszudenken ist einfach etwas Schönes. Für uns bedeutet Entwerfen, über Raum und Zeit zu verfügen - für etwas, das jenseits unserer Vorstellungskraft entstehen will. Wir nehmen uns Zeit zum Überdenken unserer Vorgangsweise und stellen uns während der Arbeit viele Fragen. Konsens bedeutet für uns, dass es an der Idee keine Zweifel mehr gibt. Wir freuen uns mit unseren Bauherren, wenn das Ergebnis stimmt.
Fuchsegg © Elmar Ludescher
Das Musikprobenzentrum Bilgeri Kaserne © Ludescher + Lutz Architekten
Es ist nicht zu übersehen, dass euch Handwerk, Region, Kultur und Landschaft sowie Ressourcenschonung auf allen Ebenen wichtig ist. Wie könnt ihr das am besten in euren Projekten umsetzen und unter einen Hut bringen?
Indem wir zunächst einmal „nicht originell“ sind. Wir schauen, wohin uns die Kräfte vor Ort führen. Wenn wir ein Gefühl für die leitenden Kräfte bekommen haben, dann können wir den Schwung mitnehmen, vielleicht auch da und dort etwas riskieren, die Grenzen der Aufgabe ausloten.
90 Prozent drinnen zu verbringen, ist tatsächlich sehr viel, um nicht zu sagen, fast alles. Wie sollen Gebäude eurer Meinung nach gemacht sein und funktionieren, die den Aufenthalt in den geschlossenen Räumen möglichst angenehm gestalten? Was müssen sie können?
Sie müssen sorgfältig gestaltet sein. Lichtführung, eine dem Menschen angepasste Maßstäblichkeit, die Ausbildung von Übergängen, Proportion und Rhythmus sind unsere Herausforderungen. Oberflächen in der richtigen Dosierung robust, aber nicht „unzerstörbar“ gestalten. Tageslicht zulassen, Kunstlicht steuern, Gegenlicht vermeiden. Erkennen, welche Elemente ein langes Leben haben werden, und auch tolerieren, dass Dekorationen, Bilder ihren Platz finden. Das Wertvollste eines Raumes, und zugleich am schwierigsten in der Planung zu erkennen, ist der Ausblick aus einem Raum.
Die Umbrüggler Alm in Innsbruck © Elmar Ludescher
Das Hotel Johann in Lauterach © Elmar Ludescher
Dauerbrennerthema – im wahrsten Sinne des Wortes – Klimawandel: Die Temperaturen im Sommer werden Menschen vielleicht noch mehr in die Gebäude treiben. Die schöne Jahreszeit des Jahres wird vielleicht in Zukunft drinnen verbracht. Was liegt da in der Verantwortung der Architekten, und was können sie beisteuern?
Das ist schnell erklärt: Maßvoll gestaltete Innenräume, Haptik, Akustik und Olfaktorik sollen die Sinne ansprechen und zu einer angenehmen Atmosphäre beitragen.
Die Baubranche ist ja bekanntlich ressourcen- und energieintensiv: Boden, Wasser, Materialien, etc. Was müsste getan werden? So weitergehen wird es wohl nicht können. Wie seht ihr das?
Es beginnt im Städtebau: Zentren verdichten, Peripherie vermeiden. Dann ergeben sich kurze Wege, kurze Leitungen, weniger Versiegelung, mehr Schatten. Wichtig ist auch, dem Fußgänger Vorrang zu gewähren durch hohe Aufenthaltsqualität sowie eine klare Abgrenzung und gute Gestaltung der öffentlichen Räume.
Ort zum Wohlfühlen: Das Schulprojekt Bildungszentrum Fiss wurde mit einem hohen Fensteranteil und großen Bögen geplant.
© Ludescher + Lutz Architekten
Was haltet ihr von Baustoffrecycling? Passiert genug? Macht es Sinn? Und: Könnt ihr es schon einsetzen?
Wir haben wenig Beispiele zum Thema Baustoffrecycling aus unserer Praxis zu bieten. Generell halten wir aber Weiterbauen und Umbauen für die Themen der Zukunft. Bestehende Bausubstanz nutzen macht Sinn und durften wir in einigen Projekten bereits umsetzen.
In eurem Vortrag auf der Architect@Work sprecht ihr über „Räumliche Gefäße“. Was darf man sich darunter vorstellen?
Häuser sind Gefäße unserer Lebenszeit. Diese sollte unter besten Bedingungen verbracht werden.
Das Postareal Egg, das beim Wettbewerb als Siegerprojekt hervorging, wird im kommenden Dezember bezogen.
© Ludescher + Lutz Architekten
Gleichzeitig sprecht ihr von Gefäßen unserer Zeit. Setzt ihr euch mit der Endlichkeit von Gebäuden auseinander?
Ja, natürlich. Gebäude können eine lange Lebenszeit haben. Dadurch verbinden sie mitunter Generationen. Unsere gebaute Umwelt sollte allerdings nicht alle zwanzig Jahre weggewischt werden, sodass man sich an keine Ecke mehr erinnern kann. Auch Patina hat für uns einen hohen Wert.
Was ist aus heutiger Sicht grundsätzlich wichtig, wenn man Gebäude plant? Muss / Sollte man das Danach mitplanen?
Nein, eher nicht, weil man beginnt, in Provisorien zu denken, das heißt, in Kompromissen, in Entschuldigungen. „Ist doch eh nur auf die Schnelle“. Wirkliche Nachhaltigkeit beginnt doch erst, wenn ein Gebäude viel und über einen langen Zeitraum benutzt wird. Zum Beispiel ein Gebäude in Wien oder New York, das seit 120 Jahren durchgehend bewohnt wurde, überholt in der Nachhaltigkeit jedes moderne Passivhaus auf der grünen Wiese.
Apropos danach: Was steht bei euch als Nächstes an?
Möglichst urbane Projekte.
Das Weingut Högl in der Wachau: Das Projekt wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem AIT Award Gewerbe, dem European Union Prize for Contemporary Architecture und dem Österreichischer Staatspreis Architektur.
© Elmar Ludescher
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www.ludescherlutz.at