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Haus aus Stroh und Holz

24. September 2024

Ein Haus im Schwarzwald zu bauen, bedeutet vor allem, sich intensiv mit der Thematik des Holzbaus auseinanderzusetzen. In Nordrach, gelegen in einem Tal unweit von Biberach, hat die Bauherrenschaft zudem großen Wert auf die Wohngesundheit und die Nachhaltigkeit des Gebäudes gelegt. Der Offenburger Architekt Michael Welle entwickelte auf dieser Grundlage ein polygonal geformtes Gebäude aus Holz, Stroh und Lehm, dessen Gestaltung sich an die typischen Merkmale eines historischen Schwarzwaldhauses anlehnt und diese modern interpretiert.

 

von Thomas Geuder (Der Raumjournalist)

 


Das Mehrfamilienwohnhaus in Nordrach steht am Rande des Waldes und interpretiert das historische Vorbild eines typischen Schwarzwaldhauses neu.
© Michael Welle Architektur, Offenburg


Der Baukörper mit fünfeckigem Grundriss reagiert auf die Bedingungen durch den Baugrund: Bebaut werden durfte ungefähr die Hälfte des Grundstücks. An zwei Seiten gibt die Außenbereichssatzung die Grenzen vor, an der östlichen Seite ist der Verlauf der Traufe mit der Straßenkante abgestimmt. Die Giebelseite an der Nord-Ost-Seite folgt grob der Hangkante und blickt dem Tal entlang. Der gegenüberliegende Giebel ist zur Hälfte talabwärts orientiert, zur anderen Hälfte hinauf zum Waldrand. Mit dem recht weit heruntergezogenen Dach, das dadurch für mehr Wetterschutz sorgt, nimmt das Gebäude den Hangverlauf auf. In dem prägnanten Sockel aus massivem Beton befindet sich die Werkstatt, in der sogar einige der Ausbauelemente für das Wohnhaus gefertigt wurden. Dieses Kellergeschoss bildet auf dem Hanggrundstück eine gestalterische, aber auch konstruktive Basis für das Bauwerk darüber.

 

 


Auf einem massiven Sockel aus Beton ist ein reines Holzhaus errichtet, dessen Baumaterialien weitestgehend ohne Kleber und Lacke verarbeitet oder behandelt wurden.
© Jürgen Pollak, Stuttgart


Traditioneller, moderner Holzbau


Der Holzbau, der auf dem Betonsockel platziert ist, wurde in einer örtlichen Zimmerei vorgefertigt, das Holz dort also gehobelt, abgebunden und zu Wand-, Decken- und Dachelementen verarbeitet. So konnte die Bauzeit auf ein Minimum reduziert werden. Das Holz stammt – dem nachhaltig-regionalen Gedanken entsprechend – von Waldbauern aus der Region und wurde in örtlichen Sägewerken eingeschnitten und getrocknet. Um eine möglichst gesunde Wohnraumatmosphäre zu erzeugen, wurde im Innenraum auf unnatürliche Materialien gänzlich verzichtet. Das Holz ist sogar meist naturbelassen, allenfalls teilweise gelaugt oder geölt, etwa bei den Möbeln oder Böden, die zur besseren Nutzung mit Naturöl behandelt sind. Auch die gesamte Konstruktion ist (bis auf drei Brettschichtholzpfetten) frei von Klebern, Leimen oder Lacken. Alle Verbindungen der Massivholzelemente der Decken und Dächer sowie die Wandkonstruktionen sind also geschraubt. Damit sind sie für einen spätere Um- oder gar Rückbau einfach demontierbar und somit für den Materialkreislauf wiederverwertbar.

 

 


Die Hölzer im Innenraum sind weitestgehend naturbelassen und nur teilweise gelaugt oder geölt, wenn die Oberflächen stärker genutzt werden.
© Patrick Möhrle

 


Die Bauherrenschaft wünschte sich ein Haus mit besonderem Fokus auf die Wohngesundheit und die Nachhaltigkeit, weswegen auf unnatürliche Materialien im Innenraum gänzlich verzichtet wurde.
© Patrick Möhrle



Wo die Wände verputzt sind, wurde Lehm verwendet, der das Innenraumklima aktiv beeinflusst.
© Patrick Möhrle

 

Nachhaltige, gesunde Materialien


Der strickt verfolgte Grundsatz der Nachhaltigkeit und sortenreinen Trennbarkeit wird auch bei der Gebäudedämmung verfolgt, die aus Strohhäckseln und Holzweichfasern besteht. Das für den Einsatz als Wärmedämmung verdichtete Stroh bietet einen sehr guten Wärmeschutz, gleichzeitig ist seine graue Energie deutlich niedriger als bei herkömmlichen Dämmstoffen. Stroh kann außerdem ohne Zusatzstoffe eingesetzt und, sollte das Gebäude einmal rückgebaut werden, entweder wiederverwendet oder dem natürlichen Kreislauf zugeführt werden. Verputzt sind die Innenraumwände mit Lehm, von dem im Gebäude insgesamt ganze 50 Tonnen verbaut sind. Das Innenraumklima wird durch die regulierenden Eigenschaften des Lehms enorm verbessert. Die verbauten Materialien seien, erläutert Architekt Michael Welle, „aus der Historie in die Gegenwart transformiert, indem sie zwar die gleichen sind, wie vor hunderten Jahren, jedoch nach heutigen, modernen Fertigungstechniken verarbeitet.“

 

 


Der fünfeckige Baukörper ist entsprechend der topografischen Gegebenheiten des Orts platziert und reagiert auf die Außenbereichssatzung sowie die Straßenkante.
© Jürgen Pollak, Stuttgart

 

Gebäudeintegrierte Haustechnik


Der Wunsch des Bauherrn, eine möglichst natürliche und gesunde Innenraumatmosphäre zu erhalten, hat auch die gebäudetechnische Planung beeinflusst. Alle drei Geschosse (plus ein kleines Dachgeschoss) werden von einer Stückholzheizung mit einer Leistung von 21 kW beheizt. Für zukünftige Bedarfe wurde vorsorglich auch das örtliche Wärmenetz ins Haus geführt und kann jederzeit angeschlossen werden. Zusätzliche Wärme kommt von Solarkollektoren auf der Südostfläche des Dachs, auf der sich ansonsten nahezu vollflächig eine Indach-PV-Anlage mit einer Leistung von 14,5 kWp befindet. Ein 1000 Liter großer Pufferspeicher sowie eine 9,5 kW große Batterie halten die gewonnenen Energien vor. In der Hülle ist das Gebäude damit nur einen 4 % schlechteren Wert als KfW 40, bei der Primärenergie ist es sogar um 18 % besser als der KfW-40-Standard. Damit zeigt das Projekt, wie durch die adäquate Kombination aus traditionellen Materialien und moderner Technik gesunde Wohnräume und energiesparende Bauwerke geschaffen werden können.

 

 


Die Südostseite des Dachs ist nahezu komplett mit einer PV-Anlage versehen, zusätzlich gibt es vier Kollektoren zur solaren Wärmegewinnung sowie zwei Dachfenster.
© Jürgen Pollak, Stuttgart

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