21. Oktober 2021
Es gibt vielfältige Gründe, warum immer mehr Menschen, insbesondere junge Familien, aus Städten in umliegende Landkreise ziehen: Weil sie sich mehr Ruhe und Naherholung ersehnen, weil sie sich die steigenden Immobilien- und Mietpreise der Innenstädte nicht mehr leisten können oder weil die heutigen Städte einfach nicht zu ihrem Lifestyle passen.
Von Julia Greven
Der Einfluss der Coronapandemie wirkte hier on top wie ein Turbo für sich bereits vorher abzeichnende Entwicklungen. Die Notwendigkeit sich größtenteils digital organisieren zu müssen, führte zur Auflösung mancher Konventionen. Das hat gleich mehrere Verschiebungen zu Folge. Viele Menschen erlebten die Möglichkeit von zu Hause zu arbeiten als Verbesserung ihrer "Work-Life-Balance". Es zeigte sich zudem, dass Zeit und Ort des Arbeitens keine Negativfaktoren für die Produktivität darstellten, das Gegenteil war eher der Fall. Daher werden viele Unternehmen, auch ohne Coronaschutz Notwendigkeit, die vormals dominierende Pflicht zur Anwesenheit im Betrieb auflösen. Bereits jetzt strukturieren einige Firmen nicht nur ihre Büro- und Arbeitsplätze um, sondern ziehen sogar eine Reduzierung der Räumlichkeiten in Betracht. Inwiefern das die Immobiliennutzung nachhaltig verändern wird, zeigt sich noch.
Foto: © KornT Shutterstock
Fest steht, je flexibler, mobiler und digitaler das Arbeiten für Menschen wird, desto weniger besteht die Notwendigkeit zu pendeln. Zumal der Weg zur Arbeit einen beträchtlichen Zeitverlust mit sich bringt. Wenn auch dieses Argument gegen ein Wohnen auf dem Land wegfällt, was spricht dann für ein Leben in der Stadt? Und was müssen Städte tun um wieder an Attraktivität zu gewinnen?
Visualisierung: © VMM – Verband für visuelles Merchandising 2021
Grünstrategien in der Stadtentwicklung
Häufig angeführt werden neben dem richtigen Mix aus Handel, Gastronomie und Kulturangeboten, die Wichtigkeit von Begegnungsplätzen für die Menschen sowie mehr grüne Zonen und veränderte Mobilitätsstrukturen.
Da die Sehnsucht nach Natur bestehen bleibt, nimmt auch ihr Stellenwert weiter zu. Einmal bedingt durch die prozentual wachsende eindimensionale und starre Arbeit an Rechnern, sowie durch unsere steigende Sensibilisierung für Nachhaltigkeit und Ökologie. Ein sehr wichtiger Aspekt, der bei Stadtplanung stärker berücksichtigt werden muss.
Noch immer bestimmen stattdessen vielerorts leider auf Automobilität konzentrierte Konzepte die Stadtentwicklung. Zwar haben umweltschonendere Mobilitätskonzepte schon lange vor Corona an Bedeutung gewonnen, solange jedoch einfach nur die Menge der Fortbewegungsmittel zunimmt, statt dass Infrastrukturen konsequent verändert werden, geht das auf Kosten des ohnehin schon geringen Frei- und Grünraums.
Es gibt kaum eine Stadt, die nicht unter der zunehmenden Fahrradparkplatz-Problematik und E-Roller Vermüllung von Bürgersteigen, Alleen und Grünanlagen leidet.
Foto: © Mazur Travel shutterstock
Konzepte zur Verbesserung der Stadtlebensqualität
Es ist dringend Zeit "Cities for people"(gleichnamiger Buchtitel Gehlen Architects) zu bauen, mehr Wohn-, Spiel- und Freiraum für Menschen zu schaffen, Co-laborate wie vor allem Co-Living Konzepte zu planen und so die Lebensqualität von Ballungsräumen deutlich zu verbessern. - Das kann nicht nur die Attraktivität, sondern den gesellschaftlichen Zusammenhalt der Menschen in großen Städten erhöhen.
„Architektur und Stadtplanung müssen um einiges sanfter sein“ sagt hierzu auch Jan Gehlen, von Gehlen Architects. Die entsprechende Publikation „Soft City“ von David Sim zeigt, wie man Orte baut, die den Alltag der Menschen bereichern.
Video: © Gehlen Architects / Jan Gehl "Cities for People"
Auch Vindmøllebakken ist so ein innovatives Wohnprojekt. Es wurde konzipiert, um Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Lebenssituationen zusammen zu bringen, was größere persönliche, ökologische und wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt.
Foto und Visualisierung: © Vindmøllebakken in Stavanger, Norway. Project by Smith Eiendom AS, Helen & Hard Architects
Verkehrsplanung jenseits von Automobilität
Da das Thema Mobilität und Infrastrukturplanung unzertrennlich mit dem effizienten Funktionieren wirtschaftlicher Aspekte und einem guten gesellschaftlichen Zusammenleben verwoben ist, gilt es zudem Konzepte zu entwickeln, welche die positiven Effekte der Mobilität erhalten sowie gleichzeitig ihre negativen Auswirkungen minimieren.
Diesen Ansatz verfolgt zum Beispiel die Initiative urbanmobilityfutures.com, welche mit einem Lehrstuhl für urbane Mobilitätszukunft im Institute for Social Science Research der Universität Amsterdam vertreten sind. Anhand von gut recherchierten Fakten, Statistiken, Grafiken und Vorher-Nachher Beispielen zeigen sie auf anschauliche und inspirierende Weise, dass es sie schon gibt, die guten Konzepte für Städte von heute für Menschen von heute!
GIF: © Urbanmobilityfutures/ Institute for Social Science Research Amsterdam