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Altmodisch oder außergewöhnlich?

1. Oktober 2020

Hand oder Computer – auch bei der Architekturzeichnung stellt sich die Frage, was sich in Zukunft durchsetzen wird. Auch wenn Digitales heute die Nase vorne hat, so gibt Analoges – zum Glück – wieder kräftige Lebenszeichen von sich.

Von Barbara Jahn

 


Eine Ikone unter den Handzeichnungen: Falling Water House von Frank Lloyd Wright, Bleistift und Farbe auf Papier
© Foto:
Modern House

 

Wie heißt es so schön: Totgesagte leben länger. Das trifft auf viele Dinge zu, besonders aber im Medienbereich, wo oft in kürzester Zeit durch technologischen Fortschritt kein Stein auf dem anderen bleibt. Das ist auch gut so, denn die Entwicklung darf nicht stehen bleiben. Dennoch sollte gewisse Dinge nicht ihre Daseins-Berechtigung verlieren, nur weil sie unter Umständen nicht so schnell und mit etwas mehr Aufwand und Material zu bewerkstelligen sind.

 


Frank O. Gehry verwendete bereits 1992 beim Entwerfen des Guggenheim Museums in Bilbao CAD-Programme für 3D-Modelle
© Foto:
Gehry Partners, LLP

 

In der Architekturbranche wird diese Diskrepanz unter anderem dort sichtbar, wo sich die grafische Virtuosität eines Architekten offenbart: In der Architekturzeichnung. Früher entstand sie durch die geübte Hand und eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe in der Auseinandersetzung mit einem Ort, heute beherrschen die Finger die Tastatur ausgezeichnet, um Strukturen wachsen zu lassen, die aufgrund ihrer Komplexität seinerzeit undenkbar waren. Mit dem einzigartigen Charisma einer Handzeichnung kann eine digitale Grafik, die höchstwahrscheinlich auch gleich animiert werden kann, eher nicht mithalten, sei sie auch noch so realistisch dargestellt. Andererseits eröffnen sich durch die per Computer erstellte Darstellung ungeahnte Möglichkeiten, die unterschiedlichsten Blickwinkel für den Betrachter zu eröffnen. Das geht natürlich auch mit der Handzeichnung, aber nicht sekundenschnell auf Knopfdruck. In dieser Auseinandersetzung spiegelt sich eine wachsende Dichtonie in der Architekturzeichnung wider.

 


„Mechanized habitable vertical farm for a COVID generation” von One Drawing-Finalist Ian Lai, Kategorie Perspektive
© Foto: Ian Lai /architizer

 

Heute werden von jedem Architekturstudenten und -absolventen, der sich für einen Job bewirbt, ausgezeichnete Kenntnisse in Sachen CAD verlangt. Unter Umständen geht es mit BIM noch weit darüber hinaus. Eigentlich ist das die logische Konsequenz eines Trends, bei dem die CAD-Zeichnung auch als Entwurfsinstrument immer größere Bedeutung gewinnt. In der ganzen Welt wird zu einem Großteil nur noch digital gearbeitet, und die Vorteile liegen klar auf der Hand: An einer Zeichnung können sich mehrere Personen beteiligen und nahtlos dort fortsetzen, wo ein anderer aufgehört hat, die Methode ist effizient und praxisorientiert. Aber geht damit nicht die charakteristische Handschrift eines Autors verloren?

 


ellitanium city” von One Drawing-Finalist Hosein Mosavi, Kategorie Sketch.
© Foto: Hosein Mosavi /architizer

 

Die Handzeichnung punktet durch ganz andere Qualitäten. Sie zeigt Emotionen, ist zeitlos und überschreitet die Grenze einer reinen technischen Zeichnung in einer Form der Kunst. Sie kann als Skizze mit feinen Andeutungen der Volumina schon komplett sein oder sich als minutiöse Grafik, bei der ebenso jeder einzelne Strich wohlüberlegt sein muss wie beim CAD-Pendant, in winzigen Details verlieren. In jeder Linie steckt die Persönlichkeit des Verfassers, der den Betrachter zu eigenen Interpretationen und damit dessen Fantasie anregt. Die Analogie bringt es mit sich, dass der Autor zum Nachdenken gezwungen wird, über Dinge, die im anderen Szenario teilweise vom Computer übernommen werden.

 


Die Kunst liegt im Ausdruck: Die kolumbianische Finalistin Yennifer Johana Machado Londoño zeigt „Architecture without architects, a slum made out of stories“

© Foto: Yennifer Johana Machado Londoño /architizer

 

Beide Arten der Architekturzeichnung haben ihre Vor- und Nachteile. Die digitale Variante ist ungebremst im Vormarsch und aus der Architekturbranche nicht mehr wegzudenken. Damit aber die Kunst der händischen Architekturzeichnung nicht in Vergessenheit gerät, hat die Plattform architizer den Wettbewerb „One Drawing“ ins Leben gerufen, um auf die Kunstform verstärkt aufmerksam zu machen. 2020 fand dieser Wettstreit bereits zum zweiten Mal statt, wobei auch diesmal wieder atemberaubende Werke eingesandt wurden. Zugelassen sind beide Methoden, denn im Fokus steht die Erzählung einer Geschichte mit architektonischer Relevanz. Damit wurde eine Form der Gegenüberstellung gewählt, die beiden Zugängen – dem digitalen und dem analogen – eine gleichwertige Bühne bietet.

 


Das private Museum für Architekturzeichnung am Berliner Pfefferberg wurde vom Moskower Architekturbüro SPEECH Tchoban & Kuznetsov entworfen und realisiert.
© Foto:
Ansgar Koreng

 

Eine Lanze für die architektonische Handzeichnung bricht die Tchoban Foundation in Berlin - Prenzlauer Berg, wo ein eigenes Museum für hochklassige Architekturzeichnungen errichtet wurde.Auf drei Etagen, die aus Lichtschutzgründen keine Fenster haben, kann man herausragende Arbeiten bewundern, gepaart von eigenen Sonderausstellungen einzelner hochkarätiger Künstler der feinen Feder. Die Affinität zur händischen Architekturzeichnung manifestiert sich sogar in der Betonfassade, die das Ausstellungsthema in Form von Ausschnitten aus Architekturzeichnungen auch nach außen trägt.

 

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