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Die Kunst des Bauens

25. Oktober 2019

Die sogenannten Stararchitekten haben es in den letzten gut 20 Jahren vorgemacht: Wer in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen werden will, muss die große Geste bedienen. Eine Architektur, so scheint es, ist nur so viel wert, wie der Name ihres Entwerfers. Dabei gibt es, oftmals unbeachtet von jener Öffentlichkeit, zahlreiche Architekturbüros, die ihre Arbeit bewusst in den Dienst der Bauaufgabe stellen und beim Entwickeln von Bauwerken viel Leidenschaft und hohe Handwerkskunst beweisen. Ein kleines Plädoyer für die große Freude am Detail.

Von Thomas Geuder, der Raumjournalist

 

Die Elbphilharmonie von Herzog & de Meuron ist natürlich weltweit bekannt. Selbstverständlich auch das Guggenheim-Museum in Bilbao von Frank O. Gehry, dessen „Bilbao-Effekt“ unzählige Nachahmer auf der ganzen Welt hervorbrachte. Oder – bleiben wir bei dem US-amerikanischen Industriellen und Kunstsammler – das Guggenheim Museum in New York City, realisiert im Jahr 1959 von Frank Lloyd Wright: ein Klassiker. Nicht weniger bekannt sind sich Projekte wie die nie endende Geschichte Flughafen Berlin Brandenburg BER, der ursprünglich von gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner begonnen wurde, was auch vielen Nichtfachleuten noch geläufig sein dürfte. Ebenso sind der Stuttgarter Hauptbahnhof und der Architekt Christoph Ingenhoven auf alle Zeiten miteinander verbunden. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen, nicht nur mit Bauwerken aus der jüngeren Zeit. Es sind stets die Bauten mit großer Wirkung, die bewusst einen Akzent in der Architekturgeschichte setzen wollen, durch ihre Größe, ihrer Geschichte und ihre Geste. Diese Bauwerke haben aus einem simplen baulichen Ansatz eine architektonische Ikone gemacht, die sich im kollektiven Gedächtnis geblieben ist. Möglicherweise sind das die Sternstunden der Architektur, wenn man denn so möchte.

 

 Rathaus Burtenbach, Manfred Lux Architekt BDA, Neusäß Schlipsheim, Bild: Jan Specklin / Manfred Lux Architect

Manifest der Beharrlichkeit

Doch da gibt auch jene, die die große, nur wenigen bekannte Basis bilden. Projekte, die überaus gelungen sind, aber nicht an die Oberfläche der öffentlichen Wahrnehmung gelangen, weil sie keine dieser überdimensionalen Gesten tun. Dafür aber zeigen sie im Detail oftmals umso mehr, was die Kunst des Bauens wirklich ausmacht. Es ist etwa das erstaunlich gut gelungene Rathaus, die Dorfbibliothek oder schlicht ein Wohnhaus, das mehr als eine bloße Behausung ist. Die meisten Architekten und Architektinnen in Deutschland sind in kleinen Büros ohne merkliche Hierarchie organisiert, die dafür mit umso mehr Team-Geist punkten. Es sind die Tüftel-Buden, in denen nicht selten bis in die fortgeschrittenen Abendstunden gefeilt wird, damit eine Form oder ein Detail am Ende perfekt wird. Architekturjournalisten schreiben immer wieder über Projekte aus solchen Büros, oft erstaunt, aber auch erfreut darüber, mit welcher Beharrlichkeit und Ausdauer manches Konzept durchdacht und durchgearbeitet ist und wie sich dies in den Plänen bis zum fertigen Projekt manifestiert.

Ⓒ Gemeindehaus Unterengstringen,Tilla Theus und Partner AG, Zürich, Bild: Tilla Theus und Partner AG / Luca Zanier

Mit Feingefühl entwickelt

Da wird – um nur einige wenige Beispiele zu nennen – ein massives Holz-Treppengeländer über mehrere Stockwerke so geplant und gebaut, dass es ohne Verleimung auskommt, wie beim Rathaus in Burtenbach von dem Architekten Manfred Lux, dessen gesamter Entwurf von einem hohen Verständnis fürs feine Detail erzählt. In Unterengstringen bei Zürich entwickelte die Architektin Tilla Theus ein Gemeindehaus, deren Fassade eine zweite Fassadenhaut vorgesetzt ist, aus deren Stahlblech eines Scherenschnittes gleich und der örtlichen Tradition folgend Muster in Form von Pflugschar und Rebmesser gelasert sind. Sie ist zwar nicht nötig, aber sie prägt die Gestalt des Bauwerks entscheidend. Beim „Outdoor Care Retreat“ in Oslo haben die Planer von Snøhetta mit viel Feingefühl ein Häuschen entwickelt, in dem sich Patienten nach einer schweren Krankheit psychisch und physisch von den Anstrengungen und der teilweisen Isolation erholen können, um den Heilungsprozess zu unterstützen. Scope Architekten wiederum haben bei ihrem Projekt „WDF 53“ in Walldorf die wirtschaftlich sinnvolle Modulbauweise derart ausgefeilt, dass sie am Ende gar nicht mehr sichtbar ist.


 WDF 53, Scope Architekten GmbH, Stuttgart, Bild: Zooey Braun

 Freude am Detail

Das sind, wie gesagt, ausdrücklich nur einige wenige Beispiele, die aber umso mehr haften geblieben sind. Auch, weil man ihnen manchmal nur dann ansieht, wie viel Herzblut hineingesteckt wurde, wenn man sich eingehender mit ihnen beschäftigt. Zutage tritt das vor allem dann, wenn man mit den Planern und Planerinnen persönlich spricht und ihre Leidenschaft spürt, mit der vom Entwurf bis zum Detail gearbeitet wurde. Diese Freunde am Detail und die Kunst des Bauens gibt man dann gerne weiter – in der Hoffnung, dass auch diese kleinen, feinen Gesten umso mehr Aufmerksamkeit und vor allem ebenso viele Nachahmer hervorbringt.

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