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Tiefschwarz schimmerndes Yakisugi

29. August 2023

Verkohlte, rußschwarz changierende Fassaden und Innenverkleidungen erfreuen sich einer wachsenden gestalterischer Beliebtheit. Die strukturierten Oberflächen begeistern besonders durch eine mystische Anmutung. Bei der Materialwahl gibt es jedoch einiges zu beachten, um sich nicht die Finger zu verbrennen. 

 

von Hannes Bäuerle, raumprobe

 

Uralter Oberflächenschutz – ganz zeitgemäß


Das Ankohlen von Holz zählt zu den ältesten Techniken der Materialbehandlung. Es versiegelt die Oberfläche und verbrennt Öle, die sonst Insekten anlocken. Gleichzeitig entsteht eine schwarz-silberne, seidig glänzende Oberflächenschicht aus Kohle, die das Holz festigt und gegen Verwitterung, Verzug und Schimmelbefall schützt.
Die Tradition geht Jahrhunderte zurück und findet ihren Ursprung in Japan. Dort ist es ein traditionelles Verfahren der Holzkonservierung, welches auf dem gezielten Verkohlen von ausschließlich japanischer Zypresse basiert. Die Technik des Verkohlens wird aber auch in Europa schon lange angewandt. Zum Beispiel um hölzerne Weinbergpfähle, die in den Boden gerammt wurden, um daran die Trauben festzubinden, zu konservieren. Allerdings scheint das bewährte Verfahren bei uns inzwischen nahezu in Vergessenheit geraten zu sein.

 


„Alligatorhaut“ in Form von Ruß
© raumprobe



Variationen der Oberfläche
© raumprobe

 

Yakisugi, Shou Sugi Ban oder karbonisiert?


Es schwirren verschiedene Namen und Bezeichnungen durch die Branche: verkohlt, karbonisiert, verbrannt als Beschreibung der Oberfläche oder unter den Namen, Yakisugi , Suyaki, Shou Sugi Ban, Alligatorhaut oder Seidenholz um nur einige zu nennen. Auf die Nachfrage, was denn jetzt die richtige Bezeichnung ist, fasst die Antwort von Martin Gottschlich von Nakamoto Forestry gut zusammen: „Das „Yaki“ in Yakisugi bedeutet gebrannt, während „Sugi“ der Begriff für japanische Zypresse (botanisch Cryptomeria japonica) ist. Durch einen Übersetzungsfehler hat sich im englischen Sprachraum ebenfalls der Begriff „Shou Sugi Ban“ manifestiert und wird inzwischen synonym für Yakisugi gebraucht. Dieser ist streng genommen jedoch nicht korrekt und würde in Japan nicht verstanden werden.“

 

Karbonisiert – nicht verbrannt


Der Verkohlungsprozess ist ein wohlgehütetes Geheimnis eines jeden Herstellers, der sich im Detail von Anbieter zu Anbieter unterscheidet. Um eine entsprechende Schichtdicke zu erzielen, werden die Bretter bei ca. 600-800 Grad Celsius kontrolliert einige Minuten gebrannt. Je nach Verfahren wird jedoch nicht nur die Optik beeinflusst, sondern auch die damit einhergehende Dauerhaftigkeit. Daher ist längst nicht alles was verkohlt aussieht, wenn beispielsweise nur mit einem Bunsenbrenner oberflächlich abgefackelt wird, auch durchgängig behandelt und geschützt.

 

Heiße Materialvielfalt in kohlschwarz


Das Angebot an verkohlten Oberflächen wächst aktuell stetig. Um nicht Apfel mit Birnen – oder hier besser passend – Ruß mit Karbonisierung zu vergleichen, gilt es bei der Auswahl genau hinzuschauen, die technischen Datenblätter zu studieren und mit den Herstellern ins Gespräch zu treten. Bei Fassadenanwendungen steht der „funktionale“ Aspekt im Vordergrund, im Innenraum die materielle Tiefe die dirch das Verkohlen entsteht. Wem es nur um die tiefschwarze Anmutung geht, der findet noch weitere Alternativen.


Auswahl der „richtigen“ Holzsorte


Die Familie Nakamoto ist seit mehr als 100 Jahren in der Forstwirtschaft tätig. Yakisugi wird seit über 60 Jahren mit gezieltem Verkohlen von ausschließlich japanischer Zypresse gebrannt. Der Herstellungsprozess wird ganzheitlich und generationsübergreifend betrachtet – das verarbeitete Holz stammt zum Großteil aus eigenen, über 2000 Hektar großen Waldbeständen.

 


Drei Grund-Oberflächen werden angeboten: Suyaki (original verkohlt, „Alligatorhaut“), sowie Gendai (einmal gebürstet) und Pika-Pika (zweifach gebürstet). Von jeder Oberfläche können auch verschiedene Beschichtungs- und Farbvarianten zur Verfügung gestellt werden.
© raumprobe


Montagefertige Wandpaneele


Reliefholz wird aus echten Holzelementen zusammengesetzt, die mit einem ausgeklügelten Verlegesystem eine schnelle Montage gewährleisten. Als Wandverkleidung stehen unterschiedliche Holzarten und Oberflächenbehandlungen zur Auswahl. Die Variante in spaltrauer Fichte oder Tanne potenziert die fühlbare Qualität in der verkohlten Variante noch mal deutlich und zaubert Wärme, für die nicht mal ein Feuer brennen muss.

 


Wandverkleidung aus massiven, spaltrauen Fichte/Tanne-Friesen mit verkohlter Oberfläche.
© Reichert Holztechnik 

 

Karbonisiertes Holz in unterschiedliche Ausprägungen


Das Produktprogramm von karbonisiertem Holz kann innen und außen zum Einsatz kommen. Je nach Art und Stärke des Beflammens entstehen unterschiedliche Optiken, die sich mit weiteren Verfahren wie ölen oder lasieren noch weiterbearbeitet lassen. Damit steht ein breites Sortiment zur Verfügung.

 


Das Spiel mit dem Feuer erzeugt unterschiedliche Anmutungen.
© raumprobe

 

Heiß geflammtes Resümee


Mit unserer Normierungswut ist den natürlichen Produkten und individuellen Oberflächen nur schwer beizukommen. Doch genau darin liegt ja auch das Besondere. Wer sich mit der heißen Technik auseinandersetzt, wird schnell zu der Erkenntnis gelangen, dass auch diese Hölzer an der Fassade über die Jahrzehnte hinweg durch Wetterbeanspruchung verwittern. Mit dem Blick gen Japan möchte ich anregen, dass es dort nicht üblich ist ebensolche Fassaden regelmäßig nachzubehandeln und entsprechend zu pflegen und dass die Entwicklung einer Patina im Laufe der Zeit als Ergebnis eines natürlichen Prozesses verstanden wird, der mehr geschätzt als reklamiert wird.

 

Appendix aus der raumprobe

 

Als Teil Ihrer Diplomarbeit „Anästhesie als Paradigma der Gestaltung“ gestaltet Kathrin Alischer, inzwischen Mitarbeiterin bei raumprobe, ein nachtschwarzes Möbel aus Weißtanne. Die Holzoberfläche wird durch einen Gasbrenner hitzebehandelt. Das damit erzielte Erscheinungsbild des tiefschwarz karbonisierten Holzes hat nicht nur eine starke Aussagekraft. Vielmehr veranschaulicht der entwickelte medizinische Rolltisch den möglichen Einsatz traditioneller Verfahren zur Erzeugung zeitgenössischer steriler Materialflächen.

 


Die geflammte Oberfläche der Weißtanne wurde zur Fixierung abschließend mit reinem Leinölfirnis eingelassen.
© Kathrin Alischer




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